Wenn die Seseke früher nach einem Gewitter über die Ufer ging, dann schwirrte die Jugend aus, um die zappelnden Fische aus den Feldern zu sammeln. Heute sind die ersten Fische zwar wieder zurück. Trotzdem hat sich vieles verändert. Jetzt schaukeln verliebte Pärchen auf Mosaikschaukeln über Verkehrsschildern am Sesekeufer. Das macht mich neidisch, zu meiner Zeit gabs das nicht, meint der 79-jährige Gästeführer Manfred Böse und gibt den Auftakt zu einer ungewöhnlichen Stadtführung.
Weit über 20 Interessierte strampelten am Wochenende fünf Kunstwerke und viele historische Sehenswürdigkeiten auf 16 km ab. Nicht selten wurde es eng unterwegs, denn die Routen haben sich längst zu einem Selbstläufer entwickelt. Denn Geschichte und Gegenwart reichen sich hier auf erlebbare Weise die Hand.
Wo früher 4 000 Beschäftigte Kohle aus der Zeche Monopol beförderten, leben und arbeiten Menschen heute im modernen Techno- und Wohnpark. Nebenan tummeln sich wieder die ersten Fische in der aus ihrem Betonbett befreiten Seseke. Ein paar Fahrradminuten weiter entsteht gerade die Gegenwart als Jetzt im Stein. Unweit davon schaufelten die Räder der Hilsingmühle das Wasser der Körne seit mindestens 1317 empor, um das Getreide von 55 Methleraner Höfen zu Mehl zu mahlen.
Damals hatte man noch Angst vor den berüchtigten Hochwassern der Flüsse. Die Pixelröhre zeigt jedoch symbolisch auf, dass dies heute nicht mehr möglich ist. Durch gigantische Röhren fließt das Abwasser unterirdisch in die benachbarte Kläranlage. Seseke und Körne tragen nur noch Oberflächenwasser, in dem sich wieder Entenbabys tummeln. Und in den Pixeln der Kunströhre verwandelt sich die Umwelt gleich tausendfach, während tausende Wasservögel die alten Becken der Kläranlage von 1942 zurückerobert haben.
Auch lernen lässt sich auf dieser Tour einiges. Dass der Hemsack so heißt, weil die Seseke und Körne sich damals sackförmig gegenseitig hemmten. Lernen kann an dieser Strecke auch die Jugend viel. Lehrer haben längst das Kunstwerk Sichtungen gehörter Stille für schwer erziehbare Jugendliche entdeckt. Hier sollen sie auf Hochwasserschutzsäcken mit Hilfe des Wasserblubberns aus den Lautsprechern wieder lernen, was Stille eigentlich ist. Denn die Realität sieht eher so aus wie im Kahn der Klasse Löbbert neben der längst verschwundenen Berger Mühle. Hier tummelt sich eine Blondine als lebendes Kunstwerk mit pinkem Radio und schallender Musik in der Schönheit der Natur zur Fotosession.
Die Kunst am renaturierten Fluss ist den Kamener inzwischen so ans Herz gewachsen, dass sie sie nicht mehr hergeben möchte. Warum sollen denn die Schaukeln wieder abgebaut werden?, bedauerten viele lautstark.