Hatte der alte Otto Prein womöglich doch mit weiteren Teilen seiner Sicht der frühen Geschichte Kamens Recht? Neue Funde, die der Westicker Ortsheimatpfleger Ulrich Neumann dem Boden entlockte, haben zumindest ihn überzeugt. Es könnte doch ein römisches Wachturmsystem um Kamen und Bergkamen gegeben haben.
Dass der Methleraner Pfarrer Otto Prein einst wichtige Bausteine geliefert hat zum heutigen Wissen um das Römerlager Oberaden und die germanische Siedlung in Westick, ist unbestritten. Zu beiden Fundstätten haben Forscher und Archäologen in den letzten Jahren und Monaten neues Wissen angehäuft. Warum aber soll das Römerlager nur so kurz bestanden haben? Und haben beide Fundstätten wirklich nichts miteinander zu tun? Ulrich Neumann zweifelt und mit ihm grübeln der frühere Kamener Museumsleiter Jürgen Kistner und sein Nachfolger Robert Badermann.
Ulrich Neumann war wieder einmal mit der Metallsonde unterwegs, mit der Lizenz der Landesarchäologen, mit Unterstützung des Museumsfördervereins und mit Zustimmung örtlicher Landwirte. Bronzestücke fand er, Verbindungselemente für Riemen – und eine Fibel, mit der einst ein römischer Soldat sein Gewand sicherte. Das alles entdeckte er nicht innerhalb bekannter Lagergrenzen, sondern in der Nähe von Nordbach und Westicker Straße. Flurnamen weisen den Fundort als Turmhügel aus.
Und genau damit wandelt Neumann auf Otto Preins Spuren. Der hatte schon ein Turmsystem um das Bergkamener Lager und das Beckinghauser Kastell vermutet, das die Siedlung in Westick mit einschließt. Von Lünen über Dortmund-Lanstrop, Methler, die Lüner Höhe, Westick und Heeren-Werve bis nach Lenningsen könnte sich diese Turmkette erstreckt haben. Auch nördlich der Lippe werden Turmstandorte vermutet. Zwischen den zum Teil nachgewiesenen Standorten klaffen Lücken, die man mit weiteren Recherchen noch schließen müsse, so Neumann.
Der Turmhügel, den er nun erfolgreich untersuchte, lag 800 Meter von der Westicker Siedlung entfernt. Die Funde passen nach Überzeugung Neumanns in die Zeit des Oberadener Lagers. Und sie würden zu einem römisch besetzten Turm passen. An anderen vermuteten Turmstandorten, zum Beispiel in Heeren-Werve, gab es ebenfalls passende Funde.
Siedelten Germanen in Westick unter Zwang?
Neumann greift eine weitere Theorie Preins und seiner Nachfolger auf. Die Germanen in Westick könnten dort mehr oder weniger zwangsweise von den Römern angesiedelt worden sein, um deren Versorgung zu sichern. Die Türme aber wären dann nicht nur zur Bewachung gedacht gewesen. Sie hätten auch das Lager in Oberaden und damit den östlichen Vorposten in Germanien abgesichert.
Neumann: Vom Turmstandort in Lanstrop aus hatte man weite Sicht. Jede Annäherung wäre entdeckt worden. Von Turm zu Turm hätten die Posten mit Feuer oder Rauch Alarm schlagen können.
Natürlich sei all das weiter eine Theorie. Eine Theorie aber, der auch Robert Badermann als neuer Kamener Stadtarchivar mit Interesse lauscht. Er hofft auf neue Erkenntnisse, wenn tatsächlich einmal eine Vielzahl der auf Museen und archäologische Zweigstellen verteilten örtlichen Funde zusammen getragen und in Kamen gezeigt werden. Seit den Zeiten Otto Preins werde zwar an einzelnen Funden und Fundorten geforscht, soweit das Geld reicht. Aber, so Ulrich Neumann, es fehlt der Gesamtblick und eine Vorstellung, wie all das zusammen passt.