Kamen. Soziale Verhältnisse in der Stadt sind aus der Spur, betonte Uwe Ringelsiep für das Jobcenter im Kreis. Die Zahl der Leistungsempfänger nach dem Sozialgesetzbuch II sei in Kamen um 10 Prozent gestiegen. Gerade Aufstockerzahlen wachsen trotz des Aufschwungs, weil neue Arbeit nicht reicht für den Lebensunterhalt. Kommunen bleiben immense Unterkunftskosten.
Nahezu pervers: Aufstockerzahlen waren in der Krise gesunken, weil auch Niedrigstlohnbeschäftigte ihren Arbeitsplatz verloren und ganz öffentlichen Kassen zur Last fielen. Nun gibt es neue Jobs, die aber sind oft so schlecht bezahlt, dass zusätzlich Sozialhilfe geleistet werden muss. Das hatte Bürgermeister Hermann Hupe in dieser Woche beim Arbeitnehmerempfang kritisiert. Das Bild bestätigten am Donnerstag im Fachausschuss des Rates Ringelsiep und Norbert Diekmännken, Fachbereichsleiter beim Kreis Unna. Ein Beschäftigungswunder gebe es noch lange nicht.
Trotz nicht kleiner gewordener Probleme verfügt das Jobcenter über deutlich weniger Geld für Arbeitsförderungsprogramme, so Ringelsiep. Gleichzeitig wachse der Druck, Langzeitarbeitslose zu vermitteln.
800 000 Euro im Monat für Unterkunftskosten
Trotz zusätzlicher Aufgaben müsse man Mitarbeiter abbauen. Dabei bestehe drängender Handlungsbedarf: Speziell gegenüber Schwerbehinderten mit Qualifikationsdefizit stehe man heute an der Grenze zur Hoffnungslosigkeit.
Dramatisch wirkt sich das bei den Unterkunftskosten aus, die die Kommunen tragen müssen, ergänzt Norbert Diekmännken. Die machen den mit Abstand größten Posten im Kreisetat aus. Von 2005 bis 2010 seien die Ausgaben dafür im Kreis von 70 auf 85 Millionen gestiegen. Zugleich sank der Förderanteil des Bundes von 31 auf 23 Prozent. 15 Millionen Euro Mehrbelastung innerhalb wenige Jahre seien nicht aufzufangen, so Diekmännken. Folgen seien Kommunen im Nothaushalt.
Im Dezember 2010 waren allein in Kamen 4532 Menschen auf solche Unterkunftskosten angewiesen. Fast 800 000 Euro im Monat sind dafür nur in Kamen aufzubringen, fast 9,5 Millionen Euro im Jahr. Der Kreis will nun versuchen auch hier zu sparen. Ein Gutachter schlägt vor, zumindest für neue Leistungsfälle den zu fördernden Wohnraum pro Person und akzeptierte Miethöhen zu überprüfen.
Das neue Bildungs- und Teilhabepaket bringt allerdings nicht nur den Beziehern Vorteile, sondern auch dem Kreis Entlastung. Diekmännken kritisiert, dass das Gesetz erst seit zwei Wochen in Kraft sei, Teilregelungen immer noch offen bleiben. Der Kreis brauche noch etwa eine Woche, um mit der Antragsbearbeitung zu beginnen.
Ob, wie von unserer Zeitung berichtet, Antragszahlen wegen Unkenntnis der Berechtigten gering seien, wisse man für den Kreis noch nicht zu sagen, so Diekmännken. Man wende sich über die Zeitungen nun an die Betroffenen (Seite Kreis Unna).
Die Regie der Bundesregierung kritisieren auch Mitglieder des Kamener Fachausschusses. Auch Mittelreduzierung beim Jobcenter seien unverständlich, so für die SPD Petra Hartig. Gabi Lenkenhoff warnt für die Linke davor, den Spardruck weiterzugeben. Das schaffe neue Not und Ungerechtigkeit.
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