Kamen. Vor lauter Jauchzen und Jubeln können sie die Münder kaum schließen. Mit riesengroßen Augen sitzen Evelyn und Finja in der schaukelnden Gondel und kreisen eine Runde nach der anderen über dem Alten Markt. Ja, noch einmal!, rufen die beiden Dreijährigen laut. Jetzt dürfen sie rückwärts den Drehwurm jagen.
Das war ein echtes Riesenrad!, kann es Finja kaum fassen. Es sieht ganz anders aus als alles, was sie von der normalen Kirmes kennt. Hier auf dem Hansemarkt drehen zwei Männer synchron an einer Handkurbel, um das Rad in Bewegung zu bringen. Alles ist aus Holz und Metall. Was Evelyn und Finja nicht wissen: Sie haben in einem historischen Rekord-Objekt gesessen. Es handelt sich um den Nachbau des kleinsten Riesenrads der Welt. Um 1600 wirbelte das gute Stück in Augsburg Adlige durch die Lüfte. Ein Künstler hat es nach Originalplänen rekonstruiert nicht ohne Sicherheitsaspekte den modernen TÜV-Anforderungen anpassen zu müssen.
Mit dem TÜV hatten die Ritter der Hansezeit nichts am Hut. Wenn sie eine holde Jungfrau und ihre Schatztruhe verteidigen mussten, waren Schwert, Schild und Rüstung der einzige Schutz. Der Rest war reine Kampfkunst. Die haben sich die Ritter der tschechischen Gruppe Herold selbst beigebracht. Schwerter, Rüstungen, Stiefel, Morgensterne, Ritterzelte und Röcke: Alles ist nach historischen Vorbildern selbst gemacht von vereinseigenen Schmieden und Schneiderinnen. Beim Hansemarkt ließen sie zum ersten Mal die Klingen klirren.
Etwas ruhiger ging es dagegen am Schleif-Wagen von Jan Lippinkhoff zu. Vor 30 Jahren zog er mit dem Gefährt Baujahr 1924 noch durch die holländischen Dörfer, um Scheren und Messer zu schleifen. Nur wenige Kamener brachten jedoch ihre stumpfen Schneidewerkzeuge auf den Hansemarkt, um sie mit den vom Fußpedal in Schwingung versetzten Schleifsteinen schärfen zu lassen. Dabei ist gerade das wieder Trend. Vielleicht faszinierte auch der Gaukler zu sehr mit Eiern, die er mit der Pfanne aus der Luft fing und mit Fackeln in Spiegeleier verwandelte. Vielleicht lockten auch die Stände für den mittelalterlichen Messerwurf, Pfeilschuss und das Eierknacken mehr.
Mancher kam mit seinen Kindern auch nur mühsam von den Verschlägen für kapitale Hausschweine, riesige Truthähne, kleine Hühnerküken, Schafe und im Brunnen planschende Enten fort. Ein Pony-Ausritt jagte den nächsten. Wenn nicht die Schmiede und Nietenmacher die eigenen Fähigkeiten herausforderten, dann bestaunten Kinderaugen fasziniert stundenlang die Flachsgruppe vom Heimatverein Wulfen. Die verwandelten dürren Flachs vor aller Augen mit Riffel, Röste, Brake, Schwinge und Hechel nach altem Handwerk in robustes Leinen ganz so wie zu Hansezeiten.