Heeren-Werve. Schinkel ist die Personifikation der Architektur des Klassizismus in Deutschland. Dass der berühmte Baumeister auch in Heeren-Werve seine Spuren hinterlassen hat, wissen nur wenige. Einer seiner Schüler soll die Orangerie des Schlosses gebaut haben, die heute noch die adligen Hausherren nutzen. Ausgestrahlt hat diese Baukunst auch auf das Alte Pfarrhaus. Das konnten Neugierige zum Tag des Offenen Denkmals just zum Schwerpunkt Klassizismus am Sonntag mit eigenen Augen sehen.
Grafen waren auch Kirchenpatrone
Eigentlich sollten die Witwen des Adelshauses Plettenberg das architektonische Kleinod nutzen. Auch deshalb schaute die Front unmittelbar auf die Kirchenpforte schließlich waren die Freiherren und Grafen gleichzeitig Kirchenpatrone. Als das Haus vor genau 200 Jahren erbaut wurde, starb kurz darauf der Hausherr. Die Witwe war jedoch mit 38 Jahren noch zu jung, um sich in die Einsamkeit zurückzuziehen. Sie heiratete neu und das Haus verlor seinen eigentlichen Sinn. Was dann folgte, war in der Erzählung von Ortsheimatpfleger eigentlich ein aus heutiger Sicht humoristisches Stück Heerener Sturheit. Die Kirche tauschte das Haus mit dem adligen Patron gegen das alte, 1617 erbaute Pfarrhaus im Kateneck. Das war dem neuen Pfarrer Klingelhöfer, der in Unna zuvor bessere Behausungen gewohnt war, mit Schweinestall und Ackerwirtschaft schlicht unter seinem Stand. Die Heerener wiederum hielten das Pfarrhaus für die 800-köpfige Gemeinde für zu protzig und stritten mit dem neuen Hirten der Gemeinde mitsamt dem kompletten Presbyterium Jahre lang vor Gericht. Klingelhöfer trat in Vorleistung für den 700 Taler teuren Innenausbau und nahm ungezahlte Restschulden der Gemeinde mit ins Grab.
Dabei waren die Heerener auch sonst nicht besonders freundlich zu ihrem Pfarrer. Der musste für das pikante Geschäft in die Scheune auf den Gesinde-Abort von Knecht und Magd eilen weil im Haus schlicht eine Toilette vergessen wurde. Die ergänzte man später als Abort mancher ehemalige Konfirmand erinnert sich heute noch an eigentümliche Austritte beim Unterricht im Pfarrhaus. Klassizistische Fensterfronten, Walmdächer, Erkerfenster, Kellergewölbe, unverhoffte Fachwerkfunde und gewaltige Treppen: Die architektonischen Details gerieten beim Rundgang angesichts der spannenden Anekdoten fast in den Hintergrund.
Etwa über die Körbe der Pfarrerstochter, die nächtens in die Junggesellenwohnung des Vikars hinabgingen. Jahre später wurde Hochzeit gefeiert. Oder über die von Nazis zerschmetterten Fensterscheiben, die den renitenten Pfarrer Schulze einschüchtern sollten einem eisernen Gegner. Sogar Altargerät versteckte man, um die Gottesdienste der nationalsozialistischen Deutschen Christen zu sabotieren. Die Sache ging als Beschwerde bis nach Berlin. Pikant: Der Kirchenpatron war gleichzeitig nationalsozialistischer Bürgermeister und mit dem Reichsfinanzminister Lutz Graf Schwerin von Krosigk verschwägert.