Nachbarschaft in Aufbruchstimmung

Kamen. Wenn man Handwerker und verheiratet war, hatte man im Jahr 1949 gute Chancen einen Siedlerplatz in Kamen-West zu ergattern. Die wurden damals von der Unnaer Kreis-Bau- und Siedlungsgesellschaft verlost, in der Hoffnung, dass sich die ansiedelnden Handwerker gegenseitig beim Häuserbauen helfen. Das taten sie auch.

Handwerker muss heute zwar niemand mehr sein, um in Kamen-West wohnen zu dürfen und neue Häuser werden in der Siedlung auch nicht mehr gebaut. Die Tradition, sich gegenseitig zu helfen, lebt aber ungebrochen weiter in der Siedlung. Irgendwer hat schließlich immer etwas an seinem eigenen Heim zu werkeln.

Denn daraus besteht die Siedlung: aus hübschen kleinen Eigenheimen mit schön bepflanzten Gärten. Dass sich diese direkt an der A2 befinden, stört hier keinen. Dank der Lärmschutzwand ist nur ein fernes Rauschen zu hören. Wesentlich lauter präsentiert sich da schon die Bergkamener Straße, die mitten durch die ruhigen Siedlungsstraßen führt.

Auch für Oliver Herrmann ist das nachbarschaftliche Miteinander längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Er lebt zwar erst seit sechs Jahren mit seiner Frau im Siedlerweg, hat aber nichts dagegen einzuwenden, seinen Garagenplatz als Holzlager für den Nachbarn umzufunktionieren – wenigstens für ein Weilchen.

Obendrein hat sich der 39-Jährige im vergangenen Jahr zum ersten Vorsitzenden wählen lassen. Generationswechsel ist angesagt in Kamen-West – einerseits. Andererseits hat sich nie ein Siedler darum gerissen, den Vorsitz zu übernehmen. „Wenn Vorstandswahlen anstanden, war die Jahreshauptversammlung immer leer“, lacht Klaus Jaeger. Er selbst ist zwar eingefleischter Siedler und jahrelang im Vorstand aktiv, aber den Vorsitz will selbst er nicht übernehmen.

Eigene Internetseite programmiert

Jungspund Oliver Herrmann konnte das nicht abschrecken – allerdings nur deswegen nicht, weil ein Siedlungsbeirat ihn tatkräftig unterstützt. Mit dem fast komplett neuen Vorstand herrscht Aufbruchsstimmung in Kamen-West. Die neuen Vorsitzenden Oliver Herrmann und Bastian Fickert haben sich viel vorgenommen. „Wir wollen die alten Traditionen wiederbeleben und uns auch für die neuen Generationen öffnen“, erklärt Herrmann.

Konkret heißt das zum einen, eingeschlafene Aktivitäten wie die legendären Straßenfeste oder den Nikolausabend für Kinder im Vereinslokal Kneuper wieder zu reanimieren. Zum anderen sollen neue Aktivitäten hinzukommen, beispielsweise regelmäßige Treffen, zu denen auch Gastredner eingeladen werden, die zu aktuellen Themen wie der Dichtigkeitsprüfung referieren.

Dass die Siedlergemeinschaft mit der Zeit geht, sieht man auch an der eigenen Internetseite www.sg-kamen-west.de, programmiert vom 1. Kassierer Olaf Rösel. Besonders den jungen Familien, die neu in der Siedlung sind, will der Vorstand die Vorzüge einer Siedlergemeinschaft schmackhaft machen.

Seinen neuen Posten nimmt Oliver Herrmann nicht nur ernst, er hat auch ehrgeizige Ziele. Neun dicke Ordner mit Sitzungsprotokollen hat er durchgearbeitet und sich fest vorgenommen, die bisherigen 60 Mitgliedsparteien auf mindestens 100 auszuweiten, wie es früher schon mal war – auch über die Siedlungsgrenzen hinaus.