Kamen. Zur Rückgewinnung voller kommunaler Selbstbestimmung plant die Kamener Verwaltungsspitze einen Befreiungsschlag. Ziel ist es, aus dem Nothaushalt zu kommen.
Die Möglichkeit dazu eröffnet ihr die rot-grüne Landesregierung. Sie hat im Zuge des Stärkungspakts Stadtfinanzen den § 76 der Gemeindeordnung geändert. Danach ist für Städte und Gemeinden im Nothaushalt nun ein genehmigungsfähiges Haushaltssicherungskonzept möglich, wenn glaubhaft ein ausgeglichener Haushalt spätestens nach Ablauf von zehn Jahren dargestellt werden kann. Bisher betrug diese Frist vier Jahre.
Kämmerer Jörg Mösgen erläuterte entsprechende Überlegungen gestern im Rat und warb dabei zunächst um Verständnis dafür, keinen entscheidungsreifen Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2012 vorlegen zu können, weil die Höhe der Schlüsselzuweisung des Landes und die Höhe der Kreisumlage noch unbekannt sind. Die entsprechenden Zahlen sollen nächste Woche vorliegen, so dass der Rat den Haushalt 2012 formal am 6. Dezember beschließen kann.
Die Überlegungen der Verwaltung gehen aber einen Schritt weiter. Parallel zu diesem Prozedere soll bis März 2012 ein neues Haushaltssicherungskonzept erarbeitet werden, in dem ein Finanzausgleich zum Ende eines Zehnjahreszeitraumes, also 2022, realisiert werden soll. Mösgen selbst nannte diese Zielsetzung gestern ambitioniert.
Um zu verstehen, was das bedeutet, muss man sich vergegenwärtigen, dass das aktuelle Haushaltsdefizit der Stadt Kamen bei einem Gesamthaushaltsvolumen von derzeit etwas mehr als 100 Millionen Euro (ohne durchlaufende Posten) aktuell bei 18 Millionen Euro liegt. Angesichts solcher jährlicher Fehlbeträge wäre eine Überschuldung spätestens in sieben Jahren gegeben. Genau das aber will die Verwaltung vermeiden.
Der neue Zehnjahres-Weg, den Mösgen nun beschreiten möchte, wird beschwerlich und dornenreich. Wer Defizite in einer Größenordnung von 18 Millionen Euro pro Jahr verhindern will, muss sowohl seine Einnahmeseite drastisch verbessern, wie auch auf der Ausgabenseite hart sparen.
Auf Nachfrage betonte Bürgermeister Hermann Hupe daher ausdrücklich: Wir werden kein Tafelsilber verkaufen, und wir werden auch keine Standards bei Bildung und heute vorhandenen Institutionen verschlechtern. Seine Verwaltung werde bis März konkrete Vorschläge machen. Hupe schränkte gleichzeitig ein: Ob wir das angestrebte Ziel eines Haushaltsausgleiches erreichen, wissen wir nicht.
Unwägbarkeiten auf diesem Weg gibt es viele, und sei es nur die Frage, wer verlässlich über einen Zeitraum von zehn Jahren Prognosen über Schlüsselzuweisungen und Gewerbesteuereinnahmen abgeben kann.
Dennoch will die Stadt den ernsthaften Versuch unternehmen, einen solchen Haushaltsausgleich zu realisieren. Eins ist klar, betonte Mösgen gestern in seiner Haushaltsrede, ohne gravierende Einschnitte geht das nicht. Eine derartige Haushaltskonsolidierung erfordere ein Zusammenwirken aller Fraktionen.