Ehrenamt

Kamen. Als sie vor seinen Schreibtisch traten, führte fast jedes Wort zum unversöhnlichen Streit. Am Ende war der Zwist über die Hecke auf der Grundstücksgrenze vergessen und die Streithähne kehrten einträchtig im selben Auto in ihre benachbarten Häuser zurück. So enden die fünf bis zehn Fälle, die Klaus Gube im Jahr schlichten muss, nicht immer.

Oft genug führt die nach einem Bier zu viel über den Balkon gerufene Beleidigung, der herüberziehende Qualm vom Grill oder der herunterhängende Zweig des benachbarten Apfelbaums vor Gericht. Noch drei Mal häufiger klingelt bei Klaus Gube das Telefon oder ein empörter Bürger schellt an seiner Tür und braucht Rat, weil der Nachbar schon wieder die Nacht lautstark zum Tag gemacht hat. Trotzdem liebt der 69-Jährige sein Amt. Seit zwölf Jahren ist er einer von sechs Schiedsmännern in Kamen. Ehrenamtlich. „Es macht immer noch Spaߓ, sagt er.

Hinzu kommt: Das Amt der Schiedsmänner und -Frauen ist in Europa fast einmalig. Seit 1827 gibt es diese vorgerichtliche Form der Schlichtung, eingeführt vom preußischen Recht. Nur in England haben die Friedensrichter noch eine vergleichbare Funktion. Ob nachbarschaftliche Streitigkeiten, Beleidigungen, leichte Körperverletzungen, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Bedrohung, Verletzung des Briefgeheimnisses, im Rausch begangene Strafen oder Diskriminierungen: In allen diesen Fällen müssen die Betroffenen erst zum/r Schiedsmann/frau, bevor sich ein Gericht der Entscheidung annimmt. Die hier getroffenen Vergleiche entlasten die Gerichte – und sparen mit rund neun Millionen Euro bares Geld. Außerdem sind sie für die Streitparteien erheblich preisgünstiger als ein Gerichtsverfahren.

Klaus Gube bewarb sich im Jahr 2000 für dieses Ehrenamt, wurde vom Stadtrat gewählt und vom Amtsgericht vereidigt. Sein Büro ist quasi eine „Ein-Mann-Behörde“ mit Dienstsiegel, Rechtssammlungen, Unmengen Formularen. Alle Akten muss er oder das Amtsgericht 30 Jahre aufbewahren.
Nur seine Aufwendungen bekommt er ersetzt.

Gube ist seit zwei Jahren auch Vorsitzender der Bezirksvereinigung Dortmund im Bund Deutscher Schiedsmänner und -Frauen und hat sich bereits zum Mediator fortbilden lassen.