Kamen. Einige berühmte Söhne hat Kamen hervorgebracht oder eine zeitlang beheimatet. Jürgen Girgensohn gehört dazu, einst Kultusminister des Landes, oder Gerd Holtmann, Leiter der Ruhrfestspiele. Zu Unrecht weniger präsent ist Alfred Gleisner, in den 70ern erster Vorsitzender des Städte- und Gemeindebundes NRW. Das ändert für die Zukunft Everhard Hoffmann, Sohn von Gerd Holtmann und vom Schüler am Kamener Gymnasium aufgestiegen zum Professor der Universität in Halle.
Politische Kultur nach 1945 erforscht
Im September beende er seinen Einsatz an der Universität und wechsle zu reiner Forschungsarbeit, erzählt Everhard Holtmann. Gleichzeitig trennt er sich von Unterlagen, die er für seine Habilitation und diverse Fachaufsätze verwendet hat. Eine seiner Veröffentlichungen heißt Nach dem Krieg, vor dem Frieden und schildert den gesellschaftlichen und politischen Neubeginn nach 1945 im Kreis Unna. Als gebürtiger Kamener hat Holtmann dafür in den 80er Jahren in Kamen und Unna recherchiert und Zeitzeugen befragt.
Einige der Persönlichkeiten, über die er schrieb, kannte Everhard Holtmann aus Kindheitstagen. Bewusst habe er zwar auf die nötige wissenschaftliche Distanz geachtet. Dennoch habe seine Herkunft Türen geöffnet. Bei Alfred Gleisner war das nicht schwer. Der hatte dem Jungen bei Besuchen in seinem Sprechzimmer im Kamener Rathaus Briefmarken geschenkt. Nun stand er ihm Rede und Antwort, übergab Tagebücher und Rededokumente und seine Taschenkalender aus den Nachkriegsjahren.
Gleisner wurde selbst in Kamen geboren. Erst wurde er Bergmann, später Kriminalinspektor in Berlin, Versicherungsangestellter und Fabrikdirektor. Nach dem Krieg engagierte er sich in der SPD und wurde Mitglied im Stadtrat und Kreistag in Unna. Zehn Jahre lang war er Bundestagsabgeordneter, dann Leiter des Amtes Pelkum später Gemeindedirektor und Stadtdirektor in Bergkamen. Er starb 1991 in Unna.
Gleisner war für Everhard Holtmann einer von vielen Gesprächspartnern. Landesminister Werner Figgen interviewte er und viele weitere Zeitzeugen.
Die ihm anvertrauten Nachlässe übergab Holtmann gestern an das Kamener Stadtarchiv. Hier wie in Unna sei er bei seinen Forschungen bestens unterstützt worden. Darüber, dass hier nun mit den Hinterlassenschaften weiter gearbeitet werden kann, freuen sich Stadtarchivar Robert Badermann und Fachbereichsleiter Christian Frieling. Holtmann selbst forscht nun nicht mehr über Kamen, sondern zum gesellschaftlichen Wandel in den neuen Bundesländern. Dabei gebe es deutlich Parallelen, erzählt er.
Für unsere Zeitung war das Treffen mit Everhard Holtmann gleichzeitig ein Stück weit Kollegentreffen: Holtmann hat in jungen Jahren für unsere Zeitung geschrieben , wie schon sein Vater, bevor der Leiter der Ruhrfestspiele wurde.