Von der Sackgasse, die keine ist

Kamen. Eine Sackgasse erkennt man ja normalerweise daran, dass man vorne reinfährt und hinten nicht wieder rauskommt. Im günstigen Fall warnt ein entsprechendes Verkehrsschild oder man kann in drei Zügen wenden. Einen rätselhaften Sonderfall findet man allerdings in Kamen-Mitte.

Dort gibt es eine Straße, die heißt zwar „Sackgasse“, ist aber gar keine. Vielmehr ist sie es eine Einbahnstraße, die von der Oststraße in einem Bogen nach links auf die Nordstraße führt, in Höhe des ehemaligen Hertiehauses.

Eigentlich zweigt die Straße auch noch nach rechts ab in Richtung Nordenmauer. Allerdings nur für Radfahrer und Fußgänger. Autofahrer werden von zwei Pollern daran gehindert. Und jetzt wird es so richtig merkwürdig: An eben dieser Abzweigung nach rechts steht ein Sackgassenschild – obwohl die Straße zur Nordenmauer offen ist.

Erklärungsversuche von Anwohnern

Wie dem auch sei. Es geht ja hier um die Frage, warum diese kleine Straße „Sackgasse“ heißt. Von offizieller Seite gibt es da keine Erklärung. Fragen wir also mal die Bewohner. „Ganz früher war es tatsächlich eine Sackgasse und zwar von der Nordstraße aus“, erinnert sich Annegret Keuper. Seit Kindertagen wohnt die 68-Jährige in einem Fachwerkhaus an der Oststraße mit Garten zur Sackgasse. „Warum die Straße so heißt, weiß ich auch nicht. Vielleicht ist den Verantwortlichen damals kein anderer Name eingefallen.“

Nur ein paar Fachwerkhäuser säumten die Sackgasse, als sie noch eine solche war. Sie endete an einem Feld – das kann man auch noch auf historischen Karten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erkennen. „Das Feld gehörte Bauer von der Heide“, erzählt Annegret Keuper. An dessen Hof erinnert sie sich noch gut, vor allem an zwei Kühe. „Die waren damals unsere einzigen Nachbarn.“ Am Straßeneingang, wo heute das Opera ist, war früher ein Milchgeschäft, erinnert sich Annegret Keuper.

Zwei Häuser weiter steht noch heute ein altes Fachwerkhaus. „Das gehörte früher dem Herrn Schmidt. Der hatte sich dagegen gewehrt, dass sein Haus im Zuge der Stadtsanierung abgerissen wird“, erzählt Annegret Keuper. Sie selbst übrigens auch, sagt die 68-Jährige und erinnert sich noch an sehr unsanft formulierte Anschreiben, die Ende der 60er in das Haus ihrer Eltern flatterten. Wie in der gesamten Innenstadt mussten auch rund um die Sackgasse die damals üblichen Fachwerkhäuser Neubauten weichen. Den Schritt von der Sackgasse zur Einbahnstraße machte die „Sackgasse“ erst nach dem Krieg. Am heutigen Straßeneingang stand früher ein Bunker. „Der wurde nach dem Krieg abgerissen“, erzählt Annegret Keuper. Aber schon vorher führte ein schmaler Weg von der Oststraße am Bunker vorbei in die Sackgasse. Zur durchgängigen Straße, wie sich die Sackgasse heute präsentiert, wurde sie dann in den 80ern. Nur am Namen wird sich wohl nichts ändern.