Anbandeln hat auf der Kirmes Tradition

Kamen. Die Severins-Kirmes hat nicht nur eine lange Geschichte seit dem Mittelalter, sie schreibt auch viele individuelle Geschichten. Zum Beispiel Flirt-Geschichten, die offenbar besonders gern in der Raupe ihren Anfang nahmen, dank des Verdecks, dass damals vor ungewollten Blicken schützte.

Unsere Redaktion hatte Leser dazu aufgerufen, ihre Severinsgeschichten am Eröffnungsabend an unserem Redaktionsmobil zu erzählen. Schon bei der Eröffnung am Nachmittag erzählte Bürgermeister Hermann Hupe die seine: Er lässt bei der Eröffnungsfahrt gern anderen den Vortritt, seit ihn vor Jahren ein Test in einem Fahrgeschäft mit Gondeln, die sich um sämtliche Achsen drehen, an die Spaßgrenze brachte.

Höhenfeuerwerk wird vermisst

Als stellvertretender Bürgermeister sprang gern Manfred Wiedemann ein. Der ehemalige Boxer hat Kirmesfahrgeschäfte schon immer geliebt und sich seine Fitness erhalten. Eine Kabine im Disco-Looping trieb er schnell schwungvoll über den Wendepunkt hinaus zum perfekten Vollkreis – und schlug dabei Schaustellersprecher Thomas Wendler und SPD-Fraktionsvize Heiko Klanke in der Nachbarkabine um Längen.

Ursula Wegmann geht auch mit 81 Jahren noch gern über die Kirmes und besuchte als treue Leserin unser Redaktionsmobil. Heute ist der Mandelstand ansonsten ihre Lieblingsstation. Doch früher war das anders, da lockte auch manches Fahrgeschäft. Sie erzählt: „Schön, dass die Kirmes heute in der City steht. Mich als Anwohnerin an der Weststraße stört das gar nicht. Ich kann mich noch daran erinnern, als die Kirmes im Hemsack stattfand. Da sind wir manches Mal im Matsch steckengeblieben.“

Sie hat aber auch Kritik mitgebracht. Dass es kein Höhenfeuerwerk mehr zum Kirmesabschluss gibt, sei doch sehr schade. Das auf dem Hertie-Dach abgeschossene Feuerwerk sei stets ein besonderes Highlight gewesen, stimmt auch Tanja Schrumpf zu. Sie hat ihre Kirmesjugend allerdings weniger auf der Severinskirmes verlebt, als auf der Frühjahrskirmes in Heeren-Werve. Was die Severinskirmes nicht zu bieten hat: In Heeren habe es früher eine Bude gegeben, an der man auf die vier Spielkartenfarben setzen konnte. Und da sie meist mit fünf Mädels vor Ort war, gewann eine immer.

Auch Familie Eickmann fehlt das Feuerwerk. Sohn Erik, sieben Jahre alt, allerdings vermisst ansonsten gar nichts. Die Fahrgeschäfte seien schon toll, sagt er und freut sich über Freikarten, die die Schausteller für unsere Geschichtensammlung zur Verfügung gestellt haben. Kirmes sei einfach kein ganz billiges Vergnügen, erzählen die Eltern. Da sei es schon schön, wenn die Großeltern als Sponsoren einen Rundgang mit dem Enkel unternehmen. Die Buden aber seien weniger geworden, registrieren sie.

Peter Holtmann erzählt uns seine Kirmeserinnerungen auch ohne solche Gegenleistung. Er habe als Jugendlicher für die Kirmes gespart, um sich einige Rundfahrten erlauben zu können. Vor allem die Raupe sei auch seine Lieblingsstation damals gewesen: „Unter dem Verdeck konnte man ganz wunderbar anbandeln.“

Schaustellersprecher Thomas Wendler nimmt Hinweise der Kirmesgäste gerne mit. Das Feuerwerk sei allerdings aus Kostengründen eingestellt worden. Die Zahl der Buden habe man zeitgemäßen Entwicklungen angepasst. Schießstände seien einfach nicht mehr so gefragt wie früher. Und zu viel Konkurrenz bei den Losbuden funktioniere ebenfalls nicht mehr. Dafür habe man das Aufstellschema der Kirmes geändert und eine nach seiner Überzeugung attraktive Lösung gefunden. Dafür gab es durchaus Lob, von Kirmesbesuchern. Und das durchgehend schöne Wetter in diesem Jahr brachte der Severins-Kirmes auch einen guten Besucherzuspruch. Den Kassensturz gibt es erst nach dem Montagabend: Bis dahin drehen sich alle Fahrgeschäfte noch.