Herausforderung Inklusion

Vom Schuljahr 2014/2015 an haben Kinder mit Behinderungen oder Lernschwächen in Nordrhein-Westfalen ein Recht auf gemeinsamen Unterricht mit nichtbehinderten Kindern – beginnend mit den Klassen 1 und 5. Damit können Eltern behinderter oder lernschwacher Kinder künftig wählen zwischen einer Regelschule und einer speziellen Förderschule. Das heißt: Schulen müssen aus- und umgebaut, Rampen gebaut und Räume rollstuhlgerecht gemacht werden. Überdies braucht es Sozialpädagogen und Integrationshelfer. All das kostet. Laut einem Gutachten kommen allein in den nächsten drei Jahren dreistellige Millionensummen auf die nordrhein-westfälischen Kommunen zu.

Elf Kinder an weiterführenden Schulen

An den Kamener Schulen – vor allem an den Grundschulen – werden längst Kinder mit sogenanntem sonderpädagogischen Förderbedarf unterrichtet. Ab August wechseln nun auch elf Kinder mit besonderem Förderbedarf in die fünfte Klasse der weiterführenden Schulen. Jeweils fünf Schüler besuchen das Gymnasium und die Gesamtschule, ein Kind soll in die Hauptschule gehen. Die Kinder haben Lernschwächen, Sprachdefizite, Entwicklungsstörungen oder sind verhaltensauffällig.

Eine UN-Konvention verpflichtet Deutschland zur schulischen Inklusion. In einigen Bundesländern ist sie schon umgesetzt, NRW erfüllt den Rechtsanspruch ab dem neuen Schuljahr. Heißt: Die Kommunen müssen die Plätze bereitstellen, sonst drohen Klagen der Eltern. Die Stadt erfülle eine Empfehlung der unteren und oberen Schulaufsichtsbehörde, erklärt der Kamener Schuldezernent Reiner Brüggemann. Diese habe sie eins zu eins mitgenommen, abgestimmt und umgesetzt.

Pädagogische Konzepte Fehlanzeige

Pädagogische Konzepte oder Regelungen für die Inklusion gibt es nicht, die müssen die Kommunen selbst entwickeln. Wie also bereitet sich die Stadtverwaltung auf die Herausforderung Inklusion vor? “Wir machen uns auf den Weg”, erklärt Brüggemann. “Wir müssen Erfahrungen sammeln.”

Kamens Weg sieht wie folgt aus: In den kommenden Monaten würden die Schulen bereist, erläutert der Schuldezernent. Die Verwaltung werde ermitteln, ob die Voraussetzungen für die Umsetzung der Inklusion stimmen. Welches Unterrichtsmaterial, welche Lehrarbeitsmittel müssen angeschafft werden? Müssen Rampen oder behindertengerechte Toilette eingebaut werden? Diesen und ähnlichen Fragen wolle man in Mitwirkungsgremien nachgehen. Wobei bauliche Veränderungen an oder in den Gebäuden nach Auffassung der Stadt kaum erforderlich sind. Der Grund: Unter den „Inklusionskindern“ sind keine körperbehinderten Kinder, sondern Kinder mit Lern- und Entwicklungsstörungen. „Wenn überhaupt, wird nur Weniges zu regeln sein“, schätzt Schuldezernent Brüggemann.

125.000 Euro für die Inklusion

Für die Umsetzung der schulischen Inklusion hat die Stadt 125.000 Euro in den Haushalt eingestellt. Um auf erste Maßnahmen reagieren zu können, wie Brüggemann sagt.

Dass das Geld reicht, ist eher unwahrscheinlich. Schon jetzt sind in Kamen die Kosten für Integrationshelfer in den Grundschulen massiv angestiegen sind: von rund 125.000 Euro im Jahr 2011 auf 340.000 Euro in 2013. Und so möchte die Stadt zusätzliche Mehrkosten – unter anderem für Integrationshelfer – weiterreichen ans Land NRW.

Die rot-grüne Landesregierung aber stellt sich quer: Sie will sich in den nächsten fünf Jahren zwar mit 175 Millionen Euro an den Inklusionskosten beteiligen. Sie lehnt es aber ab, den Kommunen sämtliche Kosten für den Unterricht von behinderten Kindern an Regelschulen auszugleichen. Vor allem die Kosten für die Integrationshelfer will sie nicht berappen. Weshalb sich die Stadtverwaltung beteiligen werde an einer vom Städte- und Gemeindebund NRW angedachten Sammelklage gegen das Land, kündigt Brüggemann an. Denn es gelte: Schule ist Landessache.

Am Gymnasium und an der Gesamtschule will man in Sachen Inklusion keine Nullachtfünfzehn-Lösung. Man werde sich mit Eltern und Kindern an einen Tisch setzen, erklären beide Schulen auf Anfrage. Ob die Inklusionskinder beispielsweise alle in einer Klasse beschult oder verteilt werden auf die 5er-Klassen, werde man in Gesprächen klären.