Nur die Musik ist stürmisch

Kamen. Sturm und Regen peitscht beim Open Air „Kamen Klassik“ nur in den Ton-Wirbeln des Fliegenden Holländers von Richard Wagner auf. Der Himmel bleibt dem Konzertereignis gnädig.

Erst am späten Nachmittag hat Generalmusikdirektor Rasmus Baumann den Daumen hochgehoben. Von möglichen Schauern wollen sich die Musiker nicht vom Auftritt im Freien abhalten lassen. Und tatsächlich bricht beim Eröffnungsstück, der triumphalen akademischen Festouvertüre c-moll von Johannes Brahms, sogar die Abendsonne durch. Nur der Wind lässt die Musiker manchmal nervös werden, die um ihre Notenblätter bangen.

Nach der musikalischen Weltreise im vorigen Jahr nimmt die Neue Philharmonie Westfalen die Zuschauer diesmal mit auf eine Reise durch die deutsche Romantik. Brahms und Wagner, zwei der sechs Komponisten des Freitagabends, waren sich in gegenseitiger Abneigung verbunden. Der eine meinte, Wagners Musik sei „Scheißdreck“, der andere urteilte, Brahms „sei prüde wie eine alte Jungfer“. GMD Baumann führte die Besucher mit solchen Anekdoten und Hintergrundinformationen in gewohnt humorvoller Art durch das rund zweieinhalbstündige Programm.

Nach triumphaler Eröffnung mit Brahms und Sturmritt mit Wagner – inspiriert wurde der Komponist für den Fliegenden Holländer durch seine Seereise von Riga nach London – begeisterte Solo-Klarinettist Regis Vincent mit dem zarten, spannungsgeladenen Klarinettenkonzert Nr. 2 Es-Dur von Carl Maria von Weber. Schon als Sechsjähriger war Wagner von Webers Musik in den Bann gezogen.

Typisch für die Romantik ist die Faszination für das Mystische, Geister und Märchen. Die Komponisten wandten sich auch Shakespeare zu, so wie Otto Nicolai mit seiner komisch-fantastischen Oper, dessen Ouvertüre die Neue Philharmonie interpretiert, und Felix Mendelssohn Bartholdy mit dem Sommernachtstraum, aus dem zur Freude des Publikums auch der in Kirchen verpönte Hochzeitsmarsch zu hören ist. Zweite Solistin des Abends ist Misha Nodelman an der Violine.

Am Ende ist Baumann wieder bei Brahms, mit den ungarischen Tänzen schließt er den schönen Sommerabend der Klassik. Die 850 Sitzplätze, für die die Veranstalter gesorgt haben, sind voll besetzt. Viele Besucher haben noch eigene Klappstühle mitgebracht. Und jetzt wissen Kamener auch, wieso die Stadt entlang der Bahnhofstraße scheinbar nutzlose Banden aus Beton platzierte. Sie eignen sich wunderbar als Sitzgelegenheit fürs Klassik Open Air.