Kamen. Dass ein Mehrgenerationenhaus kein Altersheim ist, in dem man die pflegebedürftigen Eltern in Betreuung geben kann, ist nicht jedem bewusst. Die „Familienbande“, die solch ein Haus betreibt, wird oft mit derlei Irrtümern konfrontiert.
„Ein Mehrgenerationenhaus… – es müsste eine kurze Formel geben, die seine Funktion beschreibt“, denkt Tanja Brückel, Vorsitzende des Familiennetzwerks laut nach. Am Montagabend hatte der Jugendhilfeausschuss einstimmig beschlossen, eine Förderung des Hauses von jeweils 10.000 Euro in den nächsten drei Jahren zu bewilligen. Dazu kommen noch einmal jährlich 30.000 Euro vom Land.
Geld, mit dem nun neue Projekte im Haus an der Bahnhofstraße 46 finanziert werden sollen. „Wir haben dadurch mehr Möglichkeiten und müssen das nicht mehr zwischen Suppe und Kartoffeln machen“, sagt Christiane Fuest. Sie ist wie Brückel Vorstandsmitglied der familiären Bande.
Damit ist allerdings immer noch nicht geklärt, was es mit dem Begriff auf sich hat. „Nein, hier ziehen keine alten Leute ein und werden dann betreut“, sagt Fuest mit Blick auf einige Missverständnisse, die das sperrige Wort „Mehrgenerationenhaus“ birgt. Was ist es dann? „Ein Haus, das allen offen steht“, führt Brückel aus. Natürlich auch Senioren, aber auch allen anderen, die dort ein- und ausgehen wollen.
Ein Café für alle, nicht nur für die Kursteilnehmer

Fundament das Hauses bildet das lichtdurchflutete Café im Erdgeschoss, das täglich von 8 bis 17 Uhr geöffnet ist, neuerdings auch sonntags. Es bildet die Plattform einer Sozial- und Quartiersarbeit, die in alle Richtungen gehen soll und Hilfe in allen Lebenslagen vermittelt, soweit sie erwünscht ist. „Jeder kann hierher kommen, jeder darf sich einbringen“, so das Angebot. Wie die vier Mütter, die festgestellt haben, dass eine Hausaufgabenbetreuung für ihre Sprösslinge angebracht wäre und das dort gleich organisierten. Wie der ältere Herr, der so viele Geschichten aus der Vergangenheit weiß und sie in lockerer Runde launig zu erzählen weiß. Und wie die Handarbeitsfreundin, die für das Stricken wirbt und sich plötzlich eine Gruppe, die sie betreut, buchstäblich zusammen gestrickt hat.
Ein offenes Haus für alle Generationen also. Ein Ansatz, der dem Landesministerium so viel wert ist, dass es die Kamener Einrichtung, die schon viele Preise für ihre vorbildliche Arbeit geleistet hat (siehe unten) finanziell fördert. Heike Weber und Szusanna Fink haben nun die Aufgabe, daraus einige weitere Projekte zu entwickeln. „Wichtig ist uns, dass unser Café für alle offen ist, nicht nur für die Kursteilnehmer“, werben sie, in der Hoffnung, dass sich aus den Besuchen mehr entwickelt. Sie kennen die Schwellenängste, die manche Passanten haben. „Ihr seid doch nur ein Kindergarten“, heißt es manchmal auch.
120 Mitarbeiter mit vielfältigen Aufgaben
Seit zehn Jahren gibt es das Familiennetzwerk der „Familienbande“ schon. Seit vier Jahren arbeitet der Verein in dem Neubau an der Bahnhofstraße an vielen sozialen Themen. Es gibt die Frühförderstelle, den Familienunterstützenden Dienst (FuD), den Kindergarten und viele weitere Angebote. „Das Haus ist auch stark nachgefragt für die Kursnutzung. Aber der Platz reicht schon fast nicht mehr“, so Brückel. Aus der Initiative, deren Idee 2006 geboren wurde, ist Großes entstanden. Etwa 40 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte allein bei der Familienbande, nimmt man die Kräfte des FuD hinzu, sind es 120 Mitarbeiter.
Und trotz wachsender Größe gibt es immer wieder Irritationen, was den Begriff „Mehrgenerationenhaus“ angeht. An der Kurzbeschreibung wird noch getüftelt.
Familienbande
Das zehnjährige Bestehen soll an der Bahnhofstraße 46 am Samstag, 23. September, im Rahmen eines Tages der offenen Tür gefeiert werden. Ein offizieller Festakt ist am Samstag, 18. November, geplant.
Quelle: Hellweger Anzeiger, Carsten Janecke
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