Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen – Hinein ins Berufsleben statt arbeitslos neben der Spur

Kamen. In der sogenannten Jugendberufsagentur wollen drei Behörden ihre Kräfte bündeln. Jobcenter, Arbeitsagentur und Stadtverwaltung wollen Jugendarbeitslosigkeit verstärkt mit allen Kräften bekämpfen.

Stadtverwaltung, Jobcenter und Agentur für Arbeit bündeln ihre Kräfte. Mit der Gründung einer „Jugendberufsagentur Kamen“ wollen sie jenen jungen Menschen zur Arbeit verhelfen, die bisher davon ausgeschlossen sind. 153 junge Leute unter 25 Jahren sind das zurzeit in Kamen. Davon fallen 58 in die Obhut der Agentur für Arbeit am Ostring, 95 in den Arbeitsbereich des Jobcenters. Eine Zahl, die angesichts florierender Wirtschaft im Vergleich zum vergangenen Jahr bereits gesunken ist, als es noch 164 (68 Agentur für Arbeit/96 Jobcenter) waren. „Doch die Zahl ist immer noch zu hoch. Wir wollen keinen jungen Menschen aufgeben. Das ist das erklärte Ziel“, sagt Uwe Ringelsiep, Geschäftsführer des Jobcenters im Kreis Unna.

Ein Verwaltungsmonster?

Vernetztes Arbeiten gegen Jugendarbeitslosigkeit. In der sogenannten „Jugendberufsagentur“, die nicht einmal hauptamtliche Mitarbeiter oder ein eigenes Büro hat. Laut Thomas Helm, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Hamm, handelt es sich trotzdem nicht um ein neues Verwaltungsmonster. „Bisher gab es datenschutzrechtliche Hindernisse, sodass wir nicht auf das Wissen der anderen zurückgreifen konnten.“ In einer Steuerungsgruppe, die aus Mitarbeitern aller drei Behörden stammen, sollen diese Hürden, ohne das Datenschutzrecht zu verletzen, überwunden werden. Beigeordnete Elke Kappen gibt als Jugenddezernentin für die Stadt Kamen ein praktisches Beispiel: Von jenem Jugendlichen, der sich schon aufgegeben hat, weil er trotz erfolgreichen Hauptschulabschlusses und Praktikums keinen Ausbildungsvertrag bekommen hat. „Normalerweise würden Arbeitsagentur oder Jobcenter jetzt den Kontakt zu ihm verlieren. Wir können als Stadt dann aber über unsere Sozialarbeiter in den Jugendzentren oder den Streetworkern helfen, um neuen Kontakt zu schaffen und neue Motivation zu erzeugen.“
Bei einem ersten Treffen von 35 Kräften aus Arbeitsagentur, Stadtverwaltung und Jobcenter sind diese und weitere Szenarien bereits diskutiert worden. Mit dabei waren Mitarbeiter des Jugendamts, Schulsozialarbeiter, Streetworker und Jugendarbeiter. Ausgetauscht wurden Kontaktdaten von jenen, die bisher nicht wussten, dass es derlei Abteilung gibt. „Natürlich gibt es die engeren Verbindungen, wie zwischen Jugendgerichtshilfe und dem Jobcenter“, führt Thomas Helm aus. „Manche Gruppen kannten sich aber gar nicht. Da ist noch eine Menge Luft nach oben.“

Berufseinstiegsbüro

Die Arbeit der Jugendberufsagentur soll im Übrigen nicht dort beginnen, wo schon Arbeitslosigkeit herrscht. Sondern schon deutlich bevor ein Abdriften dorthin möglich werden könnte. „Möglichst schon ab dem Alter von 15“, wie Ringelsiep sagt. Wenn erkennbar werde, dass die Zielsetzung Schulabschluss gefährdet sei.

Ein Musterprojekt der Stadt Kamen, wo derlei Arbeit bereits geleistet wird, ist der berufswahlorientierte Unterricht an der Hauptschule am Koppelteich (siehe Text unten). Dort können sich Schüler freiwillig für die sogenannte „Klasse 10 P“ melden, eine Klasse, in der ein Berufspraktikum in einer Firma zum Unterricht gehört. Dazu werden eigene Verträge abgeschlossen. „Wir sind da relativ streng, dass die Schüler das durchziehen. Wir wollen die Betriebe ja an uns binden“, so Schulleiterin Beatrix Günnewig im jüngsten Schulausschuss. Die Vermittlungsquote in Ausbildung liegt über dem Landesschnitt. An der Schule gibt es drei Berufseinstiegsbegleiter und ein eigenes Berufseinstiegsbüro.

Elke Kappen sieht in dem Modell eine Chance, das derselbe Jugendliche nicht gleichzeitig von drei Behörden bearbeitet wird, sondern Unterstützung aus einer Hand erhält, „passgenau“, wie sie sagt. Das gefällt auch Uwe Ringelsiep. „Das ist ein Projekt, bei dem angepackt wird. Hier wird nicht nur über Arbeitsmarkttheorien philosophiert. Das ist motivierend, das überträgt sich auf die ganze Mannschaft.“

Für eigenständiges Leben

Der Erfolg soll künftig messbar sein, im besten Fall an einer sinkenden Arbeitslosenquote. Bei einem weiteren Termin am 24. April, bei dem Kollegen aus den drei Arbeitsbreichen zusammen kommen, sollen die Inhalte weiter vertieft werden. Eine Steuerungsgruppe soll derweil überprüfen, wo Fortschritte festzustellen sind und wo es Schwierigkeiten gibt. „Wir sind überzeugt, dass es gelingt, ein Angebot zu schaffen, um alle jungen Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, auch die, bei denen es schwierig ist“, so Bürgermeister Hermann Hupe. Elke Kappen ergänzt: „Wir wollen mehr dafür tun, dass jeder in der Lage ist, sein Einkommen zu erwirtschaften, und dafür sorgen kann, ein eigenständiges Leben zu führen.“

P wie Praktikum: Erfahrungen mit der „Klasse 10 P“

 

Die Klasse „10 P“ ist ein besonderes Projekt der Hauptschule an der Koppelstraße. Das „P“ steht dabei für Praktikum. Ein Klasse, die für ein ungewöhnliches Modell der Berufsorientierung steht.
Ende der neunten Klasse müssen sich jene Schüler, die dort aufgenommen werden wollen, mit einem Motivationsschreiben bewerben. In der „Klasse 10 P“ gibt es dann statt Unterricht dienstags einen Praktikumstag in verschiedenen Unternehmen. „Es ist nicht schwierig Unternehmen für dieses Projekt zu finden. Die Firmen machen das sogar gerne, weil sie motivierte Schüler finden. Die haben vielleicht in Mathe eine Fünf, sind aber handwerklich geschickt, was für die Firmen wichtig ist“, so Schulleiterin Beatrix Günnewig bei der Vorstellung des Projekts im jüngsten Schulausschuss. Die Bilanz des vergangenen Jahres liest sich außerordentlich gut. Von den 20 Kindern haben neun einen Ausbildungsvertrag bekommen, darunter zwei aus Flüchtlingsfamilien und zwei aus dem Förderschulbereich. Gemäß dem Hauptschul-Leitbild „Für das Leben stärken, zur Berufsfähigkeit führen“ nimmt vor allem die Förderung der Ausbildungsfähigkeit im Jahrgang 10 einen hohen Stellenwert im Schulalltag ein, „da viele Schüler und Schülerinnen den heutigen Anforderungen der Berufsausbildung nicht ohne entsprechende Unterstützung nachkommen können“, wie es auf der Homepage der Schule heißt.
Ziel des Unterrichts ist es, mithilfe des Landesprogramms „Kein Abschluss ohne Anschluss“ (KAoA) die Junioren fit für eine Berufsausbildung zu machen. Mit dem Projekt hat sich die Schule jetzt um den Landesinklusionspreis beworben.

Quelle: Hellwegeranzeiger.de, Carsten Janecke