Kamen. Überraschende Harmonie zwischen politischen Rivalen, eine Bürgermeister-Rede fast wie ein Abschied, Anekdoten aus 50 Jahren Kamen und ein gekapertes Rednerpult – das war die „Sonderratssitzung“ zum Goldjubiläum der neuen Stadt Kamen..
Fünf Jahrzehnte nach der Eingemeindung von Derne, Heeren-Werve, Methler, Rottum und Südkamen nach Kamen trafen sich am Sonntag Ehemalige und Aktive aus Rat und Verwaltung zu einem großen Empfang in der Stadthalle. Mit dabei: ein von der „Erfolgsgeschichte“ der Stadt überzeugter Bürgermeister, ein nicht unbedingt zu Anekdoten aufgelegter Altbürgermeister, ein von der 68er-Bewegung inspirierter Ex-Landrat und eine heimatverbundene Landesministerin. Es fehlte u.a. Heinz-Georg Weber, langjähriger Ortsvorsteher von Heeren-Werve.
Das ist insofern erwähnenswert, als nach zwei Stunden mit Reden, Musik und Plaudereien ein Gast plötzlich aufstand, das Rednerpult kaperte und für einen Eklat sorgte. Ortsheimatpfleger Karl-Heinz Stoltefuß merkte an, dass in der Zeitzeugen-Talkrunde auf dem Podium gar kein Heerener sitze.
Ein sichtlich verdutzter Bürgermeister Hermann Hupe erklärte noch, dass Weber vorgesehen gewesen sei, aber aus gesundheitlichen Gründen fehle, doch Stoltefuß ließ sich nicht beirren und erzählte den Gästen, die inzwischen das Festbüfett herbeisehnten, einige weitschweifige historische Anekdoten. Stoltefuß‘ eigenwilliger Auftritt als pikierter Quoten-Heerener wirft ein Schlaglicht darauf, dass auch 50 Jahre nach der Gebietsreform noch gewisse Empfindlichkeiten überdauert haben.
Eröffnet wurde der Empfang vom Kammerorchester der Musikschule mit dem Frühling aus Antonio Vivaldis Vier Jahreszeiten. Bürgermeister Hupe zeichnete in seiner Festrede die Entwicklung der Stadt seit 1968 nach und bezeichnete sie als Erfolgsgeschichte. Stellenweise klangen die Worte des Ende Juli aus dem Amt scheidenden Bürgermeisters schon wie eine Abschiedsrede. Als persönlichen Wunsch äußerte er auch im Hinblick auf die Integration von Flüchtlingen: „Helfen Sie mit, ein Stadtklima zu schaffen, das ein Miteinander ermöglicht. Man kann zusammenwachsen – auch wenn es zunächst schwerfällt – die Zeit der Neuordnung beweist dies eindrucksvoll“, sagte er.
Die Zeitzeugen Manfred Erdtmann (Altbürgermeister), Reiner Brüggemann (Ex-Beigeordneter), Hermann-Josef Görres (Ex-Stadtdirektor), Gerd Achenbach (Ex-Landrat) und Heinrich Kissing (Ex-Fraktionschef), plauderten im Gespräch mit Hupe über das Zusammenwachsen der neuen Stadt.
Erdtmann wollte keine lustige Anekdote von anno dazumal einfallen, als Hupe ihn fragte. Das ließ die Talkrunde zur allgemeinen Erheiterung vermuten, dass es damals nicht viel zu lachen gab. Achenbach erzählte, dass er 1968 noch Jura-Student war. „Ich wollte die Welt verändern, hat nicht geklappt“, sagte er. Kamen sei zu seiner aktiven Dienstzeit auf Kreisebene „stark vertreten“ gewesen, etwa beim Kampf gegen Kürzungen beim Sinfonieorchester. Kürzungsvorschläge habe Egon Pöhler (einst SPD-Chef) „beiseite geräumt“.
Viele Zeitzeugen wie Pöhler sind längst verstorben. Hupe hob zwei Persönlichkeiten hervor, die erst im Januar 2018 gegangen sind: Ex-Stadtdirektor Gerhard Bönker und Ex-CDU-Fraktionschef Ewald Kollin.
Quelle: Hellwegeranzeiger.de, Carsten Fischer