Kamen. Die Jusos, die Jugendorganisation der SPD, richtet sich eigentlich an interessierte junge Leute zwischen 14 und 35 Jahren. Dass zum Jahresauftakt der Kreis-Organisation am Samstagabend im Technopark aber auch viele reifere Sozialdemokraten und weitere Interessenten erschienen sind, dürfte mit Kevin Kühnert zusammenhängen. Der Vorsitzende der Bundesjusos war erstmals im Kreisgebiet zu Gast.

In seinem Redebeitrag vor rund 160 Zuhörern kam er zunächst auf die kommenden Europawahlen zu sprechen. „Die haben aus meiner Sicht längst den Rang der Bundestagswahl und sollten von uns auch gleichermaßen ernst genommen werden“, stellt der 29-jährige Berliner fest.
Doch dem Bundesvorsitzenden der Jusos ist auch klar, dass die Wahl bei vielen Jugendlichen noch nicht in den Fokus gerückt ist. Er nennt das Beispiel der Abstimmung zum Brexit, die es nur gegeben habe, weil lediglich 30 Prozent der Jugendlichen abgestimmt haben. „Da muss man sich fragen, warum die nicht gewählt haben. Vielleicht ist bei einigen die Frage dagewesen, was dieses Europa jetzt eigentlich für sie macht.“
Auch Sozialdemokraten tendieren Kühnert Meinung nach – wenn sie die Geschichte von Europa erzählen – manchmal dazu, eine etwas zu elitäre Geschichte zu erzählen. Der seit 70 Jahren andauernde Frieden sei unbenommen die größte Leitung des Projekts Europa – man müsse aber auch festhalten, dass für Jugendliche heute die Vorstellung eines Krieges so weit weg ist, dass dies alleine nicht ausreiche, um festzustellen, dass Europa verteidigt werden müsse. Ein solidarisches Europa müsse auch für die jungen Menschen, die nicht von Errungenschaften wie einem Erasmus-Austausch oder der Reisefreiheit profitieren können, Antworten finden. „Deren Glaube an das Gemeinschaftsprojekt hat einen herben Schlag bekommen und das muss uns zu denken geben“, so Kühnert.
Er blickte zudem auf Steueroasen wie Luxemburg, Malta und Irland und den geforderten Mindeststeuersatz. „Wenn Europa wirklich eine Werte-Union sein möchte, also eine Gemeinschaft, die auf Basis von gemeinsamen Wertvorstellungen zusammenhält, dann finde ich, dass eine gerechte Verteilung und Solidarität zwingend als Werte in den Mittelpunkt dieser Union gehören. Wenn wir das nicht leben, versagt die Union an einer zentralen Stelle. Deswegen dürfen wir das nicht fünf weitere Jahre durchgehen lassen.“

Der Empfang der Kreis-Jusos im Technopark lockte rund 160 Besucher.
Die jüngst von Arbeitsminister Hubertus Heil vorgeschlagene „Respektrente“ kommt bei Kühnert, der vor einem Jahr auf Tournee war, um für seine Kampagne gegen eine weitere Groko zu werben, ebenfalls nicht zu kurz. „Das, was momentan passiert, ist total spannend, denn jetzt werden endlich mal Unterschiede in relevanten Fragen gegenübergestellt. Wir wollen denen etwas dazu geben, die 35 Jahre oder mehr gearbeitet haben und eine richtig niedrige Rente bekommen. Dagegen diskutiert die Union darüber, den Soli für die zehn Prozent der höchsten Einkommen abzuschaffen.“
Bei dem Vorschlag zur Bekämpfung der Altersarmut ginge es nicht darum, dass der Mensch dem Sozialstaat als Bittsteller gegenübertritt. Vielmehr gebe es eine Bringschuld des Sozialstaates gegenüber dem Einzelnen. „Wir alle haben etwas davon. Wir reden darüber, wie der Sozialstaat aufgebaut werden kann, damit die Leute da so schnell wie möglich wieder rauskommen können. Wenn wir das gut umsetzten, dann sind das am Ende Einsparungen für den Sozialstaat, weil wir Leute aus der Abhängigkeit herausholen.“
Quelle: kamenweb.de, Christoph Volkmer