Pak-freier neuer Kunstrasen in Kaiserau rollt an, Alter wird abgerollt

Diplomingenieur Herbert Vennegeerts (2.v.l.) begutachtete am Dienstag gemeinsam mit Sohn und Geschäftsführer Stefan (1.v.l.), Jugendamtsverwaltungsleiter Johannes Gibbels sowie Markus Steinhoff und Markus Hölper (v.l.) vom Sportamt der Stadt Kamen die Kunstrasenbaustelle an der Jahnstraße. Die jeweils rund 1,5 Tonnen schweren Rollen des alten Rasens werden in den nächsten Tagen abtransportiert und thermisch entsorgt - also verbrannt. Dafür werden vier Meter breite neue Rollen ausgelegt, mit denen der Platz künftig den DIN-Normen 18035 T7 und 1533-1 entsprechen soll. Foto: Alex Grün für KamenWeb.de

Kamen-Methler. Die Kicker vom SuS Kaiserau können sich jetzt schon auf den Beginn der neuen Spielzeit freuen: Die Sanierung des 15 Jahre alten städtischen Kunstrasenplatzes an der Jahnstraße ist im vollen Gange und soll – je nach Wetterlage – spätestens Anfang September abgeschlossen sein.

Nachdem bekannt wurde, dass die EU Plastikgranulat auf Kunstrasenplätzen ab 2022 verbieten will, war die Sorge um ihre Plätze bei vielen Vereinen groß – beim SuS Kaiserau allerdings zu Unrecht, erklärt Diplomingenieur Herbert Vennegeerts, der nach der Errichtung der beiden Kunstrasenplätze in der Gutenbergstraße sowie denen in Heeren und Kaiserau jetzt auch für die Sanierung des SuS-Platzes verantwortlich zeichnet. Es sei kein generelles Verbot von Plastikgranulat, sondern von solchem, das polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) freisetzt, die als krebserregend gelten und für die seit Dezember 2015 neue Grenzwerte gelten. So wie das vorrangig aus Altreifen hergestellte SBR (Styrene-Butadiene-Rubber), mit dem immer noch viele Kunstrasenplätze regelmäßig wieder aufgefüllt werden – und deren Mikro-Abrieb genauso regelmäßig im Grundwasser landet, außerdem in den Waschmaschinen, in denen die Trikots gereinigt werden und natürlich auch direkt im menschlichen Körper. Nach Angaben von Toxikologen der Universität Utrecht ist die Belastung durch PAK auf einem Kunstrasenplatz zehn bis hundertmal so hoch wie normal, die Stoffe kann der Körper entweder über die Atemwege als Feinstaubpartikel oder über die Haut, zum Beispiel bei Verletzungen, aufnehmen. Aus Sorge um ihre Gesundheit boykottierten darauf hunderte niederländischer Amateurfußballer ihre Plätze. Nach Schätzungen des Fraunhofer-Instituts verursachen die rund 5000, meist mit SBR ausgestatteten Kunstrasenplätze in Deutschland mehr Mikroplastik als Kosmetika und Textilwäsche zusammen. Kamen kann sich so gesehen auf die Schulter klopfen: Hier gibt es jetzt keinen „Altreifen-Platz“ mehr. Nach einer Empfehlung des DFB soll für die jetzt existenten Kunstrasenplätze der Vereine ein Bestandsschutz von 15 Jahren gewährleistet werden, danach soll auch aus seiner Sicht Schluss mit Gift-Granulaten sein. Insofern können die SuS-Kaiserauer doppelt aufatmen: Erstens, weil kein Gummigranulat mehr verwendet wird. Das Filling besteht im Verhältnis von 50 zu 200 Tonnen aus Thermoplastischen Elastomeren (TPE) in Verbindung mit Quarzsand, was nach Expertenmeinung unbedenklich für Mensch und Umwelt ist. Und zweitens, weil gerade jetzt der alte Platz, der mit 15 Jahren das Ende seiner Lebensdauer erreicht hat, ruhigen Gewissens saniert werden kann, denn: Sollte die EU der Empfehlung von DFB und olympischer Fußballkommission folgen, hätte der Platz für die nächsten 15 Jahre ohnehin Bestandsschutz – ob mit oder ohne TPE. Obwohl keine PAK-haltigen Substanzen mehr verwendet werden, wird in Sachen Umweltschutz mit einem Abscheider noch einer „draufgesetzt“: Dieser wird zwischen der Rasenplatz-Drainage und dem Vorfluter zum Körnebach installiert. So soll das wenige TPE-Granulat, das abgetragen wird, herausgefiltert werden, bevor es ins Grundwasser gelangt. Das Schlimmste, was dann noch im Wasser lande, sei der Quarzsand aus der Rasenfüllung, und der sei absolut ungiftig, versichert Sportplatzexperte Vennegeerts. Vor dem Austausch der 8.050 Quadratmeter Rasen und Fillin wird die elastische Trageschicht darunter in Augenschein genommen, gereinigt und bei Bedarf ausgebessert. Dass der Plan, die Anlage bis zum Ende der Spielpause in Betrieb nehmen zu können, aufgeht, daran hat Vennegeerts keine Zweifel. Nach der Aufschüttung der Sandschicht könne der Betrieb sofort aufgenommen werden – und das auch noch mit neuen Toren auf dem Hauptfeld und neuen Kabinen. Kosten wird die Stadt die Umrüstung 310.000 Euro, 20.000 mehr als ursprünglich geplant. Aber das, sagt Stadtsprecher Rüdiger Büscher, sei angesichts der Kostenexplosion im Bauwesen insgesamt, ein „ganz normaler Steigerungsprozess“. Die Kicker des SuS Kaiserau haben sich indessen sicherlich das letzte Mal im Jahr 2004 so auf einen Saisonbeginn gefreut, wie jetzt.

Quelle: kamenweb.de, Alex Grün